Mittwoch, 9. Mai 2012

Briefe, die wir gerne kriegen würden

Lieber Herr W., liebe Frau K.!

Schon seit einigen Jahren verfolge ich mit wachsender Aufmerksamkeit die Entwicklungen Ihrer beider wissenschaftlichen Laufbahn. Insbesondere beeindruckt hat mich dabei Ihr, Herr W., wirklich faszinierender Vortrag auf der Konferenz der Gesellschaft für analytische Philosophie vor einigen Jahren, dessen gedankliche Schärfe und Klarheit ich schon damals nachhaltig bewundert habe - von den inhaltlich bahnbrechenden Erkenntnissen zum Thema „mentale Verursachung“ ganz abgesehen. Ihren kommenden Vortrag zum Themenbereich „Dissens“ erwarte ich mit großer Spannung.
In Hinblick auf Ihre Karriere, Frau K., brauche ich kaum zu erwähnen, dass es Ihr Artikel in der Zeitschrift für philosophische Forschung war, der meine tiefgreifende Faszination für das Thema Tod in philosophischer Hinsicht überhaupt erst geweckt hat.

Nun zum Anlass meines Schreibens. Bei mir handelt es sich um den Erben einer großen Firma, die riesige, plumpe, schmutzige, laute - kurzum, durchweg unangenehme Maschinen herstellt. Nun sind mir, wie Sie beide vielleicht erstaunen wird, Maschinen der beschrieben Art leider zutiefst zuwider. So sehr ich mich für die hochkomplexen Mechanismen des menschlichen Gehirns (vor allem der Ihren!) begeistere, so wenig kann ich den grausigen Geräten, die in der mir zugefallenen Firma hergestellt werden, einen Reiz abgewinnen. Daher sehe ich mich außer Stande, den Familienbetrieb, den mir mein Vater mit seinem Tod vererbt hat, in Zukunft weiterzuführen - ich sehe mich gezwungen, den Betrieb zu verkaufen und habe auch bereits einige grobschlächtige Interessenten an der Hand. Die Frage, die sich mir unweigerlich stellt, ist: Was anfangen mit dem Erlös des Verkaufs und mit dem Vermögen, das ich darüber hinaus besitze?

Nun, die Antwort drängte sich mir förmlich auf und vielleicht ahnen Sie schon, worum es geht. Um es kurz zu machen: Ich möchte Ihnen anbieten, Ihre weiteren Forschungen mit einem A. Maschine-Stipendium zu unterstützen. In Ihnen beiden sehe ich vielversprechende junge Wissenschaftler, die aufgrund ungerechter Umstände nicht über die Mittel verfügen, um in ausreichender Menge Lebens- und Genussmittel, Immobilien, Urlaube, Fahrzeuge, Kleidung, Zusatzversicherungen et cetera et cetera erwerben zu können.

Bei diesem Problem würde ich gerne Abhilfe schaffen. Die A. Maschine-Förderung bezöge sich auf einen Zeitraum von 40 Jahren und umfasst ein monatliches Stipendium von jeweils 10.000 Euro. Natürlich erwarte ich im Gegenzug keine regelmäßigen oder unregelmäßigen Publikationen oder ähnliches, da ich weiß, wie vielbeschäftigt junge Leute wie Sie auch in anderen Hinsichten sind. Amüsieren Sie sich! Nichtsdestrotz freue ich mich natürlich darauf, Ihre Karriere, aber auch Ihren Lebensweg ganz allgemein weiterhin verfolgen zu dürfen und wäre stolz, wenn aus Ihnen beiden so scharfsinnige und erfolgreiche, aber auch humorvolle und sympathische Wissenschaftler würden, wie sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt abzeichnet. Sollten Sie die Konditionen akzeptieren, würden Sie sich lediglich verpflichten, alle zwei Jahre einen Bericht einzureichen, der eine schriftliche, aber sehr gern auch bebilderte Zusammenstellung einiger schöner Urlaubsreisen oder Errungenschaften enthält, die Sie mit meinem Stipendium finanzieren konnten. Was halten Sie davon?

Gespannt Ihre Rückmeldung erwartend

Herzlichst

Ihr A. Maschine

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