Lieber Herr W., liebe Frau K.!
Schon seit einigen Jahren verfolge ich mit wachsender Aufmerksamkeit die
Entwicklungen Ihrer beider wissenschaftlichen Laufbahn. Insbesondere
beeindruckt hat mich dabei Ihr, Herr W., wirklich faszinierender Vortrag
auf der Konferenz der Gesellschaft für analytische Philosophie vor
einigen Jahren, dessen gedankliche Schärfe und Klarheit ich schon damals
nachhaltig bewundert habe - von den inhaltlich bahnbrechenden
Erkenntnissen zum Thema „mentale Verursachung“ ganz abgesehen. Ihren
kommenden Vortrag zum Themenbereich „Dissens“ erwarte ich mit großer
Spannung.
In Hinblick auf Ihre Karriere, Frau K., brauche ich kaum zu erwähnen,
dass es Ihr Artikel in der Zeitschrift für philosophische Forschung war,
der meine tiefgreifende Faszination für das Thema Tod in
philosophischer Hinsicht überhaupt erst geweckt hat.
Nun zum Anlass meines Schreibens. Bei mir handelt es sich um den Erben
einer großen Firma, die riesige, plumpe, schmutzige, laute - kurzum,
durchweg unangenehme Maschinen herstellt. Nun sind mir, wie Sie beide
vielleicht erstaunen wird, Maschinen der beschrieben Art leider zutiefst
zuwider. So sehr ich mich für die hochkomplexen Mechanismen des
menschlichen Gehirns (vor allem der Ihren!) begeistere, so wenig kann
ich den grausigen Geräten, die in der mir zugefallenen Firma hergestellt
werden, einen Reiz abgewinnen. Daher sehe ich mich außer Stande, den
Familienbetrieb, den mir mein Vater mit seinem Tod vererbt hat, in
Zukunft weiterzuführen - ich sehe mich gezwungen, den Betrieb zu
verkaufen und habe auch bereits einige grobschlächtige Interessenten an
der Hand. Die Frage, die sich mir unweigerlich stellt, ist: Was anfangen
mit dem Erlös des Verkaufs und mit dem Vermögen, das ich darüber hinaus
besitze?
Nun, die Antwort drängte sich mir förmlich auf und vielleicht ahnen Sie
schon, worum es geht. Um es kurz zu machen: Ich möchte Ihnen anbieten,
Ihre weiteren Forschungen mit einem A. Maschine-Stipendium zu
unterstützen. In Ihnen beiden sehe ich vielversprechende junge
Wissenschaftler, die aufgrund ungerechter Umstände nicht über die Mittel
verfügen, um in ausreichender Menge Lebens- und Genussmittel,
Immobilien, Urlaube, Fahrzeuge, Kleidung, Zusatzversicherungen et cetera
et cetera erwerben zu können.
Bei diesem Problem würde ich gerne Abhilfe schaffen. Die A.
Maschine-Förderung bezöge sich auf einen Zeitraum von 40 Jahren und
umfasst ein monatliches Stipendium von jeweils 10.000 Euro. Natürlich
erwarte ich im Gegenzug keine regelmäßigen oder unregelmäßigen
Publikationen oder ähnliches, da ich weiß, wie vielbeschäftigt junge
Leute wie Sie auch in anderen Hinsichten sind. Amüsieren Sie sich!
Nichtsdestrotz freue ich mich natürlich darauf, Ihre Karriere, aber auch
Ihren Lebensweg ganz allgemein weiterhin verfolgen zu dürfen und wäre
stolz, wenn aus Ihnen beiden so scharfsinnige und erfolgreiche, aber
auch humorvolle und sympathische Wissenschaftler würden, wie sich zum
gegenwärtigen Zeitpunkt abzeichnet. Sollten Sie die Konditionen
akzeptieren, würden Sie sich lediglich verpflichten, alle zwei Jahre
einen Bericht einzureichen, der eine schriftliche, aber sehr gern auch
bebilderte Zusammenstellung einiger schöner Urlaubsreisen oder
Errungenschaften enthält, die Sie mit meinem Stipendium finanzieren
konnten. Was halten Sie davon?
Gespannt Ihre Rückmeldung erwartend
Herzlichst
Ihr A. Maschine
!
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